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Today Is My Day. Not.

September 2017

Es ist sechs Uhr zehn und ich sitze bereits im Flieger nach Frankfurt. Die Nacht war kurz, keine drei Stunden um genau zu sein.

Ich nehme mit meinen Kollegen seit gestern an einem Hackathon teil, wir wurden als eines von acht Startups aus über 80 Bewerbungen ausgewählt, um angesehenen Wiener Kulturinstitutionen aufzuzeigen, welche Innovationen ihnen beim digitalen Wandel helfen können. VC Cult Tech Hackathon heißt das.

Jedenfalls beginnt der Tag ernüchternd, der Parkautomat möchte zwei-fünfzig von mir, akzeptiert nur leider keine Karte. Blöd, dass ich wieder nur eins-achtzig an Bargeld bei mir habe. Kurze Verzweiflung macht sich breit. Doch mit den Öffis zum Flughafen? Nein, ich kann die Parkgebühr an der Rezeption bezahlen, mit Karte, und bekomme sogar noch eine schöne Rechnung dafür.

Today Is My Day

Im Flieger höre ich Spotify – „Today Is My Day“ höre ich im Refrain, Untitled (Love Song) haben die Counting Crows den Song benannt. Er wird es also werden, mein Tag. Der geplante Termin, für den ich den Hackathon verlasse, verspricht recht interessant zu werden, mitunter aber auch gefährlich, weil mögliche Konkurrenz. Immerhin haben wir schon ein paar mögliche gemeinsame Kunden ausgemacht. Unser Ziel ist Kooperation, nicht Konfrontation am Markt. Der eindeutige Marktführer sieht durchaus Überschneidungen im Angebot, heute geht’s aber zur Nummer zwei. Die beschäftigen schon mehr als dreihundert Mitarbeiter, wie wir später hören. Damit ist das Potenzial, ausspioniert zu werden, doch höher als eingeschätzt. Wir erzählen trotzdem, was uns bewegt und unsere Motivation und unsere Positionierung am Markt. Klarheit und Transparenz führen zu Vertrauen und das ist notwendig, um Kooperationen überhaupt anzustrengen.

Das Gespräch verläuft gut, natürlich erzähle ich viel und plaudere aus dem Nähkästchen. Naturgemäß erfahren wir auch mehr darüber, wo sie stehen. Teil eins der Übung gelungen. Teil zwei ist, aus dem Momentum konkrete nächste Schritte aufzugleisen. Leider nichts Konkretes. Man möchte erstmal intern darüber diskutieren, dann ein NDA aufsetzen und so weiter. Ist gut, weil unsere APIs sind öffentlich auf unserer Seite, und was kopiert werden könnte, haben wir gezeigt.

Bei einem anderen Anbieter haben wir es auf diese Weise geschafft, weiterzukommen, mein Kollege ist etwas unzufrieden, wegen der fehlenden Zusage zu einem konkreten Zeitplan. Ich bin zuversichtlich. Wir haben unsere Botschaft deponiert, jetzt heißt es also warten. Darin sind wir bereits Weltmeister. Und nun wieder zurück nach Wien, zum Hackathon. Naja, vielleicht nicht ganz so schnell. Das Handy zeigt nur mehr 2% Akku-Kapazität, also noch während dem schnellen Kaffee am Bahnhof das Bahnticket buchen, Flugmodus, und hoffen, dass der Akku hält. Das Power Pack ist leider am Schreibtisch im Büro liegengeblieben, darum muss der Laptop herhalten. Der hat es aufgrund der späten Stunde leider nicht ans Ladekabel geschafft und ist pünktlich zum Ende des Gesprächs heruntergefahren. Also ab in den letzten ICE Richtung Flughafen, um den Flug OS124 noch zu erreichen. Der Zug setzt sich in Bewegung, stoppt, das gleiche Spiel mehrmals. Dann die „erlösende“ Durchsage: Technisches Gebrechen, Zug fällt aus. Immerhin habe ich noch zehn Minuten im Zug, um Laptop und Handy zu laden.

Also am Handy nach einer Alternative schauen. Gleis 103, ich bin am Gleis 18. Keine Ahnung wo das ist. Infoschalter, nachfragen. Ja, da drüben ist das Schild. Danke, blind wie immer. Ab zum Gleis 103. Auf der Rolltreppe vorbei an den immer stehenden Leuten, hinter mir haben es  mehrere Leute auch eilig. Abfahrt in zwei Minuten. Aja. Trotz Gedränge am Bahnsteig: Geschafft! Ab Richtung Flughafen.

Dort angekommen geht’s zum Boarding, davor – eh klar – Schlange mit dreißig Minuten Wartezeit an der Sicherheitskontrolle. Flug: 14 Uhr 50, Check-In: 14 Uhr 20. Aktuelle Zeit: 14 Uhr 20. Also zurück in die Fast Lane. Die ist recht kurz, vor mir nur drei Damen. An sich nichts Ungewöhnliches, bis auf den Umstand, dass eine von ihnen gezählte 7 elektronischen Geräte, nämlich 3 Smartphones, 2 PDAs, ein Kindle und 2 Laptops mitschleppt. Lustig, irgendwie. Es ist schon 14 Uhr 40, das ist weniger lustig. Mein Ticket zeigt mir das Gate A30 an, also im Laufschritt zum gefühlten anderen Ende des Flughafens. Der übliche Check, ob das Gate aktuell ist, entfällt; leider ein Fehler. Am Gate angekommen – gähnende Leere. Scheibenkleister. Bin ich zu spät?

Leider ist auch keine Anzeigetafel in der Nähe, ich befrage daher Google am Handy zum Flug OS124. Gate A36. Schön, nochmals zweihundert Meter weiter. Dort erwartet man mich bereits freudig, die Schlange vor dem Flieger ist kurz wie schon lange nicht mehr, weil nicht mehr da. Preisfrage: War ich der letzte?

Der Schweiß läuft mir den Rücken runter, ich sitze bereits im Flieger, neben mir grinsend die Stewardess, die ich in meiner Hektik nicht fragen wollte, ob sie weiß, wo mein Flug nach Wien ist.

Ich sitze im Fliege, schwitze also wie Sau, und höre mit, dass die Klimaanlage ausgefallen ist. Zum Glück sind wir in Frankfurt, und nicht in Tel Aviv. Nochmals Glück gehabt.

Not. My. Day?

Um die offene Frage von vorhin zu beantworten: Nein, ich war nicht der letzte Passagier; diesmal nicht. Zwischenzeitlich bin ich mir nicht ganz sicher, ob das heute wirklich „mein Tag“ ist. Zuhause angekommen, endlich zur Ruhe kommend und im Rückspiegel sieht die Sache dann schon doch schon ein wenig anders aus. War es also doch „mein Tag“?

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